Belichtung, Histogramm,...

Alles rund um Hard- und Software, die man zur Bildbearbeitung benötigt.
ahinterl
Beiträge: 410
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2011, 08:28
Wohnort: Wien

Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von ahinterl » Dienstag 19. Mai 2015, 15:24

In der Hoffnung, vielleicht von Anderen einige Gedanken und Ideen zu meinen Fragen zu bekommen, beschreibe ich hier jetzt doch mal ein Thema, das mich in letzter Zeit ziemlich beschäftigt und nervt.

Aufgekommen ist die ganze Sache schon vor einiger Zeit, als ich wieder einmal einige Raw-Fotos in Lightroom (damals noch Version 5) bearbeitet habe. Für Fotos, bei denen ich bei der Belichtung nicht sicher bin (also eigentlich fast alles) habe ich mir schon lange angewöhnt, Belichtungsreihen von 1/3 EV zu machen und so weit es geht alles von absolut unter- bis total überbelichtet auf die Fotos zu kriegen (das können durchaus 10 oder mehr Fotos sein). Das beste Foto suche ich dann nachträglich raus, wobei ich bemüht bin, möglichst überbelichtete zu wählen (die natürlich in den wichtigen Bildbereichen kein white clipping aufweisen dürfen) - ETTR lässt grüßen (es steht ja denke ich mittlerweile außer Frage, dass im Histogramm die meisten Tonwerte in der rechten Hälfte liegen). Nebeneffekt und netter Vorteil dieser Methode hauptsächlich bei unbewegten Motiven: Ich kann bei Bedarf auch HDR Bilder anfertigen...

Ich schränke dann meine Vor-Auswahl letztendlich auf 2 Fotos ein: Eines, dass ganz knapp an der white clipping Grenze liegt, und eines, das nicht so überbelichtet ist. Beim einen Foto sind die Kurven im Histogramm also weiter rechts zu Ende als beim anderen. Das dünklere Foto wähle ich bewußt so aus, dass keine Gefahr einer Überbelichtung besteht, d. h. es ist irgendwo ab mindestens 1/3 EV dünkler als das andere, oft sind es 2/3 oder sogar wesentlich mehr EV. Dann passe ich das stärker überbelichtete Fotos an das andere an, indem ich den Belichtungswert in Lightroom solange zurücknehme, bis die Histogrammkurven in der Horizontalen ähnlich sind.

Dabei habe ich immer wieder beobachtet, dass sich dort, wo im schwächer belichteten, dünkleren Foto schöne Farben zu sehen sind, beim Runterregeln am stärker überbelichteten partout keine oder falsche Farben zu sehen sind. Eigentlich ein Hinweis darauf, dass Lightroom versucht, verlorengegangene Farbkanäle wiederherzustellen. Das erstaunliche dabei ist allerdings, dass ich wiederholt und zu verschiedenen Zeitpunkten sichergestellt habe, dass Lightroom keinen Hinweis darauf gibt, dass auch nur ein einziger Farbkanal über die white clipping Grenze geraten ist und Farbinformationen verlorengegangen wären.

In den letzten Tagen sind mir etliche solcher Fälle beim Sichten meiner Fotoreihen untergekommen, also habe ich mir gedacht, da muss etwas geschehen. Ich habe daraufhin mit DxO Optics Pro und RawTherapee rumexperimentiert - mit unterschiedlichen Ergebnissen: Die Histogramme sehen anders aus, die Warnanzeigen für Über- und Unterbelichtung ebenfalls, RawTherapee zeigt die schönsten Farben dort, wo Lightroom scheitert etc. Alles in Allem also mehr als unbefriedigend.

Aus diesem Grund habe ich mich mit etwas Unbehagen wieder einmal in Richtung RawDigger und Fast Raw Viewer orientiert, die zeigen Raw Histogramme unverfälscht - und in RawDigger kann man die Farbkurven außerdem genauer analysieren. Ein kompliziertes Thema, ich habe Etliches gelernt...
Dabei ist mir aufgefallen, dass es scheinbar gar nicht feststeht, in welchem numerischen Bereich sich die Helligkeit eines Bildpunktes auf einem Raw-Foto überhaupt bewegt. So wie es für mich aussieht wäre es dazu notwendig, die Bit-Tiefe des Sensors zu kennen - das dürfte nicht der Fall sein. Außerdem gibt es scheinbar "Begleitparameter" (auf der RawDigger-Seite wird sowas angedeutet, wenn man sich durch die Anleitung liest), die den Bereich sogar nachträglich verfälschen. Ich habe deshalb den Eindruck, dass die meisten Programme daher einfach eine Art Fixwerte annehmen, an denen Über- oder Unterbelichtung angezeigt wird - das ist bei jedem Programm etwas anders, weil sich die Fixwerte leicht voneinander unterscheiden. So erkläre ich mir die unterschiedlichen Ergebnisse, die die Programme liefern.

Mit RawDigger lässt sich denke ich ziemlich genau ermitteln, welchen Helligkeitsbereich ein Sensor mit einer bestimmten ISO-Einstellung abdecken kann: Man fotografiert ein Motiv, auf dem "absolutes" Schwarz (z. B. das Innere einer tieferen Röhre) und ein reflektierender Körper (z. B. eine spiegelnde Metallkugel) bei heller Beleuchtung drauf sind. Damit hat man eine Stelle am Bild, die der Sensor wegen seiner Dunkelheit nicht mehr erfassen kann (die Röhre), und eine, die alles überstrahlt, was der Sensor noch in der Lage ist, aufzunehmen (die Kugel). RawDigger kann jetzt sogar sehr schön automatisch diese beiden Extremwerte ermitteln und mit Zahlen versehen - und schon hat man seinen Bereich. Man setzt jetzt diesen Bereich in den Voreinstellungen des Programms bei den Grenzwerten für die Über- und Unterbelichtungswarnung ein und erhält so zuverlässig die Stellen am Foto angezeigt, wo die Möglichkeiten des Kamerasensors hinsichtlich Belichtung entweder nach Oben oder nach Unten überschritten werden.

Soweit, so gut - dürfte Lightroom also einfach ein Problem haben, die Über-/Unterbelichtungswarnung genau genug anzuzeigen. Scheinbar sind also doch Stellen überbelichtet, die sich in Lightroom mit Bordmitteln zunächst nicht feststellen lassen - und das, obwohl nach dem Öffnen des Fotos kein Regler verstellt worden ist. Das wirft für mich die grundsätzliche Frage auf, wie Lightroom hinsichtlich Belichtungskorrektur und Warnung vor über-/unterbelichteten Bildstellen überhaupt arbeitet (und mit ihm natürlich alle anderen Bildbearbeitungsprogramme)...

Allem Anschein nach erfolgt bereits beim Öffnen eines Fotos in Lightroom eine Anpassung der Helligkeitskurven, indem sie nach irgendeiner Methode erstmal verschoben werden. Vorstellbar für mich ist sind Weißabgleich, Kamera-Kalibration und vorgegebene Gamma-Werte. Da ist es durchaus möglich, dass Kurven die hart-kodierten Schwellwerte für Weiß und Schwarz schon beim Öffnen des Bildes ohne jedes weitere Zutun überschreiten. Damit wird dann freilich auch Über- und/oder Unterbelichtung angezeigt. Ich nehme an, so ein Prozess findet auch bei anderen Bildbearbeitungsprogrammen statt.

Soweit, so gut. Wenn jetzt allerdings Lightroom keine Überbelichtung beim Öffnen eines Fotos anzeigt, und sich auch sonst keine Hinweise finden, das bestimmte Bildstellen irgendein white clipping aufweisen, warum sind dann trotzdem Farben nicht "wiederherstellbar", wenn der Helligkeitsregler zurückgenommen wird? "Wiederherstellbar" in Anführungszeichen, weil es sich ja gar nicht um die Wiederherstell-Prozedur von Lightroom handelt, mit dem das Programm versucht, nicht mehr vorhanden Farbkurven- und Helligkeitsinformationen "aus dem Nichts" zu saugen. Es sind lt. Lightroom ja alle Informationen da!

Ich habe mal einige Fotos mit Lightroom und RawDigger verglichen mit dem Ergebnis, dass Lightroom tatsächlich kein white clipping anzeigt, wo welches vorhanden ist. Die Informationen, die Lightroom liefert, sind also unzuverlässig. DxO Optics Pro ist da besser (wenn es auch stark übertreibt), RawTherapee schwächelt so wie Lightroom - obwohl es hier gelingt, Farben ohne Zutun einwandfrei gezeigt zu bekommen, was ja bei Lightroom quasi unmöglich ist.

Das wirft für mich jetzt natürlich die Frage auf, inwieweit Lightroom (zur Zeit Version 6) im Hinblick auf Belichtung überhaupt zu trauen ist. Ich wage es im Augenblick nicht, Bilder aufgrund der Belichtung auszusortieren, zu groß ist die Gefahr, "grade nochmal so" gut belichtete (weil knapp unter der Überbelichtung) zu löschen und tatsächlich überbelichtete zu behalten, weil Lightroom keine Probleme zeigt...
Andreas

Benutzeravatar
Lenno
Ehrenmitglied
Beiträge: 15903
Registriert: Samstag 21. Mai 2011, 11:13

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von Lenno » Dienstag 19. Mai 2015, 16:37

ETTR ist für mich nur eine Empfehlung, ich tu
aber unter keinen Umständen eine Belichtung an
den rechten Rand erzwingen, ich versuche zwar
möglichst nach rechts im Histogramm zu belichten
aber seit ich die Belichtungsmessung mit der Expodisc
vornehme, merke ich das die Kamerainterne Messung
meistens ziemlich daneben liegt, ein optimaler Wert ist
an meiner Kamera mit der Exposisc so das ich im Histogramm
noch Luft nach rechts habe.
Lightroom zeigt dir das Clipping in den kleinen Kästchen
oben links und rechts an, je nach Farbe in diesem Kästchen
wird die jeweilige Farbe gerade beschnitten.
Beim 5er musste man noch die Alttaste gedrückt halten um Weiß
und Schwarzwert einzustellen anhand den Bereichen die
dann angezeigt werden, mit dem 6ee braucht man nur einen
Doppelklick auf den Schwarz bzw. Weißregler zu machen LR setzt
dann automatisch den Schwarz und Weißwert.

ahinterl
Beiträge: 410
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2011, 08:28
Wohnort: Wien

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von ahinterl » Mittwoch 20. Mai 2015, 07:45

Danke für deinen Beitrag, aber genau das ist ja das Problem: Lightroom zeigt nirgends Über- oder Unterbelichtung an (gemäß deiner Erklärung: Keine clipping-Kästchen im Histogramm gefärbt, keine farbigen Bereiche mit der ALT-Taste)! Trotzdem sind in RawDigger deutliche spikes ganz rechts in den Grünkanälen vorhanden. Klarer Fall von clipping! Nur: Lightroom zeigt das überhaupt nicht, wie gesagt! Deshalb gibt's auch Probleme mit der Farbwiedergabe/-Wiederherstellung...

Die korrekte Belichtung prüfen ist in Lightroom so wie's aussieht schlichtweg nicht möglich, weil das Programm mehr als unzuverlässig ist... Da zeigt DxO korrekter an... Ich werde mir auf jeden Fall was einfallen lassen müssen, um meine Fotos auszusortieren, mal sehen...
Andreas

Benutzeravatar
basaltfreund
Ehrenmitglied
Beiträge: 16055
Registriert: Freitag 23. Dezember 2011, 20:13

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von basaltfreund » Mittwoch 20. Mai 2015, 08:08

Hallo Andreas,
weiss nicht ob ich das Problem verstehe.
Wie auch immer, bei mir wir Über(rot) bzw Unterbelichtung (blau) angezeigt. Kann ein/ausgeschaltet werden mit markierten Pfeilen.
Klipptest.jpg
Klipptest.jpg (154.04 KiB) 2163 mal betrachtet
viele Grüsse aus der Eifel Michael
G3 - Kit 14-42 - Raynox 150 - Pana 100-300 | SONY RX100M3 | SAMSUNG S7edge

Benutzeravatar
emeise
Beiträge: 3403
Registriert: Montag 29. August 2011, 21:37
Wohnort: Sindelfingen

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von emeise » Mittwoch 20. Mai 2015, 09:18

Sehr interessant, macht mich nachdenklich.

Damit ein RAW Bild nicht einfach 'in der Luft' hängt, setzt LR einfach schon mal Vorgaben für die Regler ( denke ich ).

Ich würd' dann auch sagen, dass das Histogramm nur eine Hilfe für die Beurteilung ist, aber kein Standard zur Messung.

Und Clipping ist ja nicht der Maßstab einer Über- bzw. Unterbelichtung, sondern eine Warnung.

Ein richtig gut belichtetes Bild kann ja durchaus Clipping Teile beinhalten ( ist ja meistens auch so, bei kontrastreichen Bildern ).

Und sogar Clipping links und rechts zur gleichen Zeit. Wenn ich da den Schwarzwert und Weißwert so verstelle, dass kein Clipping zu sehen ist, dann hab' ich das Bild aber sowas von verbogen ...
FZ1K, TZ101, EOS 600D, GX7, G9, E-M5 m II / 12-40 und 7-14mm 2.8 Pro
Wenn ich all mein Equipment aufzähle, ist die Seite vollgemüllt.

keep it simple
Grüßle, Dieter

Benutzeravatar
basaltfreund
Ehrenmitglied
Beiträge: 16055
Registriert: Freitag 23. Dezember 2011, 20:13

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von basaltfreund » Mittwoch 20. Mai 2015, 09:23

seh ich genauso Dieter, ich habe das Klipping bei LR immer ausgeschaltet weil Über/unterbelichtete Stellen im Bild durchaus dazu gehören können.
viele Grüsse aus der Eifel Michael
G3 - Kit 14-42 - Raynox 150 - Pana 100-300 | SONY RX100M3 | SAMSUNG S7edge

Benutzeravatar
Binärius
Moderator
Beiträge: 9898
Registriert: Montag 20. Juni 2011, 12:27
Wohnort: Neumünster

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von Binärius » Mittwoch 20. Mai 2015, 09:28

Richtig!
Weiß muss weiß bleiben und Schwarz muss schwarz bleiben.
Das ist dann kein Clipping.
Gruß Binärius aka Jens

Lumix FZ38 || Lumix G81 || Lumix G Vario 12-32mm || Lumix G Vario 45-150mm || Sigma 2.8/30/60mm ||
Kamlan 1.1/50mm MK2 || Olympus 8.0/9mm || Novflexar 5.6/400mm || Raynox-DCR 150

Meine Fotos auf flickr

Benutzeravatar
mikesch0815
Ehrenmitglied
Beiträge: 9054
Registriert: Freitag 2. Dezember 2011, 23:29
Wohnort: Schotten
Kontaktdaten:

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von mikesch0815 » Mittwoch 20. Mai 2015, 09:33

ahinterl hat geschrieben:Das wirft für mich jetzt natürlich die Frage auf, inwieweit Lightroom (zur Zeit Version 6) im Hinblick auf Belichtung überhaupt zu trauen ist. Ich wage es im Augenblick nicht, Bilder aufgrund der Belichtung auszusortieren, zu groß ist die Gefahr, "grade nochmal so" gut belichtete (weil knapp unter der Überbelichtung) zu löschen und tatsächlich überbelichtete zu behalten, weil Lightroom keine Probleme zeigt...
Ich hab mir gerade mal RawDigger runtergeladen und ein RAW mit ihm, mit LR6 und mit ACR (CC2014) angekuckt. In der Tat zeigt RD eine Belichtungswarnung an, die keines der beiden Adobeprogramme erkennt..

Ich muss ehrlich sagen, daß ich kein wirkliches Problem damit habe, wenn in einem Bild mal ein paar Ecken "abgesoffen" oder "ausgebrannt" sind. Insofern kann ich bei LR/ACR nicht von einem "Vertrauensverlust" sprechen, aber das die Programme in der Tat etwas eigene Interpretationen von Grenzbereichen haben, war meiner Erinnerung nach schon mal Thema. Damals gings irgendwie um Farbtöne.

Grundsätzlich sind eben bestimmte Motive vom Dynamikumfang für Kameras ein Problem. Das seltsam komprimierte HDR als vermeintliche Lösung ist etwas, was für mich in den meisten Fällen eine komplett surreale Anmutung hat - und ich lebe dann lieber mit dem eben begrenzten Umfang. Wobei ich den Sinn von Bracketing nicht abspreche und insbesondere als DNG dem ganzen was abgewinne (in der Hoffnung, daß irgendwann Monitore einen erweiterten Dynamikumfang bekommen.)

Was ich in deinen Schilderungen nicht ganz nachvollziehen kann ist der Aspekt der Farbe.

so weit
Maico
S5II, GX8, EM-10II(IRmod) und viel Glas - also viel Spaß!

ahinterl
Beiträge: 410
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2011, 08:28
Wohnort: Wien

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von ahinterl » Mittwoch 20. Mai 2015, 11:53

mikesch0815 hat geschrieben:Ich hab mir gerade mal RawDigger runtergeladen und ein RAW mit ihm, mit LR6 und mit ACR (CC2014) angekuckt. In der Tat zeigt RD eine Belichtungswarnung an, die keines der beiden Adobeprogramme erkennt..
Das mit der Belichtungswarnung ist, so glaube ich wenigstens mittlerweile, wesentlich komplizierter, als gemeinhin gedacht wird!

Grundsätzlich wäre es notwendig, den Helligkeitsbereich zu kennen, den ein Sensor abdeckt. Also sowas wie "0 - 4096". Vielleicht könnte man das aus der Bit-Tiefe des Sensors rausrechnen. Jetzt scheint es aber so zu sein, dass genau dieser Bereich eben nicht bekannt ist! Lt. Ausführungen auf der RawDigger Seite kann es außerdem sein, dass, selbst wenn dieser Bereich vom Hersteller bekanntgegeben würde, es aus technischen Gründen dazu kommen kann, dass der tatsächlich zur Verfügung stehende Bereich eingeschränkt wird und in der Realität etwas anderes aussieht. Das nur am Rande.

Weil der Helligkeitsbereich unbekannt ist, läßt sich jetzt in RawDigger herausfinden, was der Sensor tatsächlich abdeckt. Das ist auf der Seite auch beschrieben. Grob gesagt nimmt man ein Foto, auf dem ziemlich sicher Stellen drauf sind, die der Sensor nicht mehr erfassen kann, also sowohl zu hell als auch zu dunkel sind. Dann kann man im Histogramm rausfinden, an welchen Werten ein clipping auftritt und das dann in die Wertefelder für die clipping-Warnung bei den Voreinstellungen zum Programm eintragen. Ich glaube, der ganze Vorgang ist auch vollautomatisch möglich. Auf diese Weise kann dann auf jeden Fall tatsächlich eine richtige Warnung für Über- und Unterbelichtung gemacht und angezeigt werden.

Alles Andere ist so wie's für mich aussieht eher eine Schätzung: Im Programm Fast Raw Viewer zum Beispiel, das scheinbar Techniken von RawDigger einsetzt, kann man einen Schwellwert für Unterbelichtungs-Warnung einstellen, allerdings lediglich als Belichtungsabstand vom Überbelichtungspunkt, soweit ich mich erinnere - ich kann da auch falsch liegen, das tut im Grunde aber nichts zur Sache. Wichtig ist: Der Wert für Schwarz ist wie vorhin schon gesagt ebenfalls nicht bekannt, also alles andere als "Null". D. h.: Programme, die nicht wie RawDigger korrekte Werte für die Schwellwerte von Ober- und Untergrenze des Sensor-Helligkeitsbereichs ermitteln können, verwenden einfach "Schätzwerte" dafür. So stellen sie Über- und Unterbelichtungswarnungen natürlich falsch dar, und jedes Programm unterscheidet sich in diesem Punkt vermutlich von anderen, weil alle unterschiedliche Schwellwerte verwenden.

Zusammenfassend heißt das für mich: Entweder, ein Programm "kennt" den Helligkeitsbereich eines Sensors bei einer bestimmten ISO, oder es kann diesen ermitteln, oder sämtliche Über- und Unterbelichtungswarnungen sind dermaßen ungenau, dass sie eigentlich zu vergessen sind. Das trifft meiner Erfahrung nach auf Lightroom zu.
mikesch0815 hat geschrieben:Ich muss ehrlich sagen, daß ich kein wirkliches Problem damit habe, wenn in einem Bild mal ein paar Ecken "abgesoffen" oder "ausgebrannt" sind. Insofern kann ich bei LR/ACR nicht von einem "Vertrauensverlust" sprechen, aber das die Programme in der Tat etwas eigene Interpretationen von Grenzbereichen haben, war meiner Erinnerung nach schon mal Thema. Damals gings irgendwie um Farbtöne.
Siehe oben: Mir reicht eine grobe "Interpretation", die teilweise 100% daneben liegt, leider nicht aus...
mikesch0815 hat geschrieben:Was ich in deinen Schilderungen nicht ganz nachvollziehen kann ist der Aspekt der Farbe.
Wenn Farbkanäle clippen, geht Information verloren. Wenn dann die Belichtung im Bildbearbeitungsprogramm angepasst wird, kann diese Information "aus dem Nichts" nicht wiederhergestellt werden. Ergebnis: Dort, wo eine bestimmte Farbe sein sollte, ist eine vollkommen andere, weil ja Informationen von einem oder mehreren Farbkanälen einfach vollständig fehlen. Lightroom und Konsorten versuchen deshalb, die Farben mit mathematischen Algorithmen quasi aus dem Kaffeesatz "neu zu schaffen". Was dabei rauskommt, kann nahe dem Original liegen, aber auch vollkommen daneben - das Bildbearbeitungsprogramm weiß schlichtweg nicht, welche Farbe da eigentlich sein soll.

Insofern ist clipping unmittelbar mit der Farbreproduktion gekoppelt. Clipping heißt automatisch Farbverlust, höchstens mit einer unglaublich geringen Zufallswahrscheinlichkeit, die Ursprungsfarbe jemals wiederzubekommen.

Sowas ist für mich als "Qualitäts-Fanatiker" nicht akzeptabel. Meine Anforderung ist ganz einfach: Das Foto aus einer Belichtungsreihe raussuchen, das an den entscheidenden Bildstellen zur clipping-Schwelle noch ausreichend Abstand hat (wo also der Farbkanal zu 100% nicht gesättigt ist), und die Histogrammkurven so weit wie möglich rechts hat. Mit Lightroom keine Chance.
Andreas

Benutzeravatar
Lenno
Ehrenmitglied
Beiträge: 15903
Registriert: Samstag 21. Mai 2011, 11:13

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von Lenno » Mittwoch 20. Mai 2015, 14:07

Ich frag mich jetzt nur selbst wenn das Programm den
Belichtungsumfang des Sensors kennen würde, müßte man
dies in Einklang mit der Aufnahme bringen.

Da ist mir z.B der Spyder Cube eine Hilfe, den in LR weiß
ich nun genau wo Weiß-, Schwarzpunkt und Glanzlichter
sowie der richtige Graupunkt für den Weißabgleich liegen.

Ohne diese Referenz bei der Aufnahme bleibt alles ein
Ungenaues hin- und verschieben der Regler in den
jeweiligen Programmen.

Eine Aufnahme zeigt doch nie den ganzen Belichtungsspielraum
eines Sensors sondern eine Abbildung der zu diesem Zeitpunkt
aufgenommen Lichtsituation. Gewollt oder ungewollt richtig
oder falsch belichtet.

ahinterl
Beiträge: 410
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2011, 08:28
Wohnort: Wien

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von ahinterl » Mittwoch 20. Mai 2015, 15:49

Digital gesehen wird es vermutlich schon so sein, dass jede Sensorzelle einen diskreten Wert zwischen 0 und m (für Maximalwert) annehmen kann. Diese beiden Extreme sind die Schwellwerte für clipping und Basis für das, was Programme wie Lightroom als Über- bzw. Unterbelichtungswarnung zeigen sollten.

Was sich in den Raw Dateien genau befindet, weiß ich leider nicht. Ich vermute mal, dass da unter Anderem Helligkeitswerte für jeden Bildpunkt drinstehen. Weiters nehme ich an - nach alldem, was ich so in Erfahrung bringen konnte - dass diese Werte aus irgendeinem Grund nicht bei 0 beginnen. Ansonsten würde man ja den unteren Schwellwert kennnen - was nicht der Fall sein dürfte, weil ja z. B. Fast Raw Viewer die Möglichkeit bietet, genau diesen Punkt in den Voreinstellungen frei eintragen zu können. Der obere Schwellwert scheint ebenfalls unbekannt zu sein - ansonsten wäre er z. B. in RawDigger nicht genauso frei einstellbar. Der Umstand, dass nicht 0 der Beginn der Helligkeitsskala in den Raw-Bilddaten ist, ist demnach ein großes Manko. Unerklärlich für mich, weil ja wie gesagt die Sensorzellen sehr wohl mit einem genau definierten Wertespektrum arbeiten müssen. Ich bin wahrscheinlich in Physik/Mathematik nicht geschult genug, um hier selbständig weiterkommen zu können, vielleicht gibt es ja Personen, die da besser Bescheid wissen.

Der Spyder Cube ist etwas, womit man in RawDigger den gesamten Helligkeitsbereich ausmessen und bestimmen kann. Nur nützt der in Lightroom leider nichts, weil da die Schwellwerte für Weiß und Schwarz gar nicht eingestellt werden können. Mir ist eigentlich schleierhaft, was Lightroom und Konsorten eigentlich als Über-/Unterbelichtungswarnung anzeigen, ich kann das gedanklich nicht nachvollziehen:

Wenn Lightroom ein Raw öffnet, liegen dem Programm alle Helligkeitskurven in ihrer Gesamtheit vor. Irgendwie müssen diese Kurven jetzt in ein Bezugsmodell reingepresst werden. Lightroom müsste jetzt beurteilen können, wie die Kurven zu behandeln sind, also welche absolute Breite sie haben und ob an den Extrempunkten Anzeichen für das Überschreiten der Sensor-Maxima feststellbar sind. Wie das gemacht wird, weiß ich nicht. Mittlerweile ist mein Hirn schon soweit versaftet, dass ich keine Vorstellung mehr davon habe, wie die Raw-Dateien überhaupt in einem Programm wie Lightroom zur Darstellung gelangen - und schon gar nicht, woher das Programm die Extreme für Weiß und Schwarz raussaugt.

Fakt für mich derzeit ist, dass ich meine Fotos mit Lightroom nicht in ihrer Helligkeit beurteilen und aussortieren kann, weil ich riskiere, Bilder zu behalten, bei denen ich beim Rumregeln draufkomme, dass ich an wichtigen Stellen keine korrekten Farben mehr bekomme (weil die ja weggeclippt sind, was Lightroom mir nicht angezeigt hat). Ich sehe mich schon RawDigger kaufen...
Andreas

Benutzeravatar
veo
the artist formerly known as G3X
Beiträge: 6393
Registriert: Sonntag 29. April 2012, 13:27
Wohnort: Kurz vor Dänemark

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von veo » Mittwoch 20. Mai 2015, 16:00

Um vorschnelle Fehlurteile zu vermeiden, müsste doch berücksichtigt werden, in welchem Farbraum verglichen wird. Lightroom arbeitet ja intern in einem umfangreicheren Farbraum als in der Anzeige. Wenn Lightroom keine Warnung anzeigt, heißt das ja noch nicht, dass z.b. in sRGB kein Clipping vorliegt, wie das Softproofing zeigt. Die Clipping Warnung bezieht sich ja offensichtlich auf den internen Farbraum, der sich am Monitor sowieso nicht darstellen lässt. M.E. gibt es mit den heutigen technischen Möglichkeiten keine Chance den tatsächlichen Farbraum des Sensors zu sehen. Und da der Sensor sowieso keinen Farbraum hat, sondern nur Folgen von 0 und 1, ist alles nur eine Frage von notwendigerweise fehlerbehafteter Übersetzung. Wir reden also nicht über richtig oder falsch, sondern über so oder anders.
ahinterl hat geschrieben: Ich sehe mich schon RawDigger kaufen...
Musst Du nicht. Es reicht, Softproof im gewünschten Farbraum anzuwenden.
GX9+Vario 3,5/14-140+Vario 100-300+GII 1,7/20+M.Zuiko 1,8/45+Fisheye 8,0/9+Sigma 28-200 (Minolta adaptiert), TZ101, Sirui T-025X, Capture One 20
https://www.visionen-online.eu
Im Lumix-Foto- und Video-Forum: Kritische Bildbetrachtungen willkommen!

Benutzeravatar
basaltfreund
Ehrenmitglied
Beiträge: 16055
Registriert: Freitag 23. Dezember 2011, 20:13

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von basaltfreund » Mittwoch 20. Mai 2015, 16:11

ich habe die Clipping Warnung so verstanden das Bereiche rot dargestellt werden die Überbelichtet sind, dh das dort nur rein weiße Pixel sind.
Auf der anderen Seite das Gleiche, blau für rein schwarze Pixel. Was jetzt rein weiß und rein schwarz ist muss irgendwo in LR hinterlegt sein ...Farbraum?
viele Grüsse aus der Eifel Michael
G3 - Kit 14-42 - Raynox 150 - Pana 100-300 | SONY RX100M3 | SAMSUNG S7edge

ahinterl
Beiträge: 410
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2011, 08:28
Wohnort: Wien

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von ahinterl » Mittwoch 20. Mai 2015, 16:24

basaltfreund hat geschrieben:ich habe die Clipping Warnung so verstanden das Bereiche rot dargestellt werden die Überbelichtet sind, dh das dort nur rein weiße Pixel sind.
Auf der anderen Seite das Gleiche, blau für rein schwarze Pixel. Was jetzt rein weiß und rein schwarz ist muss irgendwo in LR hinterlegt sein ...Farbraum?
Wenn's so einfach wäre... Das ist, was der Normalverbraucher denkt, die Wirklichkeit sieht leider allem Anschein nach anders aus...
Andreas

Benutzeravatar
veo
the artist formerly known as G3X
Beiträge: 6393
Registriert: Sonntag 29. April 2012, 13:27
Wohnort: Kurz vor Dänemark

Re: Belichtung, Histogramm,...

Beitrag von veo » Mittwoch 20. Mai 2015, 16:28

basaltfreund hat geschrieben:ich habe die Clipping Warnung so verstanden das Bereiche rot dargestellt werden die Überbelichtet sind, dh das dort nur rein weiße Pixel sind.
Auf der anderen Seite das Gleiche, blau für rein schwarze Pixel. Was jetzt rein weiß und rein schwarz ist muss irgendwo in LR hinterlegt sein ...Farbraum?
Was die Clipping Warnung, die Du beschreibst, nicht zeigt, ist das Clipping einzelner Komponenten des RGB Spektrums. Das kannst Du nur mit der Farbe des kleinen Dreiecks erkennen.
GX9+Vario 3,5/14-140+Vario 100-300+GII 1,7/20+M.Zuiko 1,8/45+Fisheye 8,0/9+Sigma 28-200 (Minolta adaptiert), TZ101, Sirui T-025X, Capture One 20
https://www.visionen-online.eu
Im Lumix-Foto- und Video-Forum: Kritische Bildbetrachtungen willkommen!

Antworten

Zurück zu „Bildbearbeitung“